Geriatrie am Herz-Jesu-Krankenhaus: Dr. med. Steffen Schlee über die Schulter geschaut
„Die Patientin kam mit Übelkeit und Magenschmerzen zu uns. Zwei Seiten Diagnosen im Überweisungsbrief vom Hausarzt: Diabetes, Übergewicht, offener Fuß, Lungenentzündung, Arthrose in beiden Knien, Bluthochdruck“, zeichnet Dr. med. Steffen Schlee, Leiter der Geriatrie des Herz-Krankenhauses Fulda, das Bild des „typischen“ Patienten in der Geriatrie, „Was behandelt man zuerst? Natürlich den akuten Behandlungsgrund – aber in der Geriatrie wägen wir auch ab, was dem Patienten sofort zu einer besseren Lebensqualität verhilft.“
Mit der Diagnose und der Behandlung der Haupterkrankung ist es nicht getan, wenn Menschen mit acht oder mehr Nebenerkrankungen ins Zentrum für Altersmedizin kommen. „Acht und mehr Nebenerkrankungen haben unsere Patienten im Schnitt. Unser Altersdurchschnitt liegt bei 82 Jahren, zehn Jahre höher als in der Inneren Medizin.“
Fachbegriff frührehabilitative Komplexbehandlung: heilen und Lebensstandard verbessern
Muss man im Alter vor dem Krankenhaus Angst haben? „Nein. Als Mediziner stehen wir zwar bei jedem Patienten vor einer Herausforderung aufgrund der Multimorbidität, also dem gleichzeitigen Vorliegen von mehreren chronischen Erkrankungen“, gibt Dr. Schlee zu. „Aber wir sind hier in der Geriatrie gut aufgestellt, und das macht gerade dieses Fachgebiet so spannend. Schon bei der Aufnahme der Patienten schauen wir uns ganz genau an, welche Probleme es gibt, und zwar nicht nur in Bezug auf die Haupterkrankung. Wir sehen den ganzen Patienten, mitsamt seiner kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit, mit den vielleicht zu Hause bestehenden Problemen.“ Diese umfassende „Bestandsaufnahme“ besteht aus einem standardisierten Testschema, dessen Auswertung für die Planung einer teamintegrierten Behandlung genutzt wird. Untersucht werden
- körperliche Beschaffenheit
- Kognition
- Emotion
- Selbsthilfefähigkeit
- Sozialstatus
- Ernährung
„Heilung heißt im Alter nicht, dass es wird „wie vorher“. Unser Ziel ist es, dass wir den Patienten so nah wie möglich an dieses „wie vorher“ heranbringen.
„Heilung heißt im Alter nicht, dass es wird „wie vorher“. Unser Ziel ist es, dass wir den Patienten so nah wie möglich an dieses „wie vorher“ heranbringen. Und dazu gehört, dass wir ab Tag 1 in der Geriatrie interdisziplinär an Genesung und Rehabilitation arbeiten.“ Natürlich steht in den ersten Tagen die Heilung im Mittelpunkt. Nach und nach nehmen die therapeutischen Ansätze in der mehr Behandlung immer mehr Raum ein. Gleichzeitig werden bisherige Medikation und vorhandene Hilfsmittel überprüft und angepasst, die Lebenssituation des Patienten mit Blick auf den aktuellen Zustand bewertet und, wenn nötig, nach Unterstützung und Hilfen gesucht.
Auch da ist das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gut aufgestellt: Die Patienten werden durch unseren Sozialdienst beraten, und dieser zeigt Hilfsangebote auf und unterstützt die Patienten. Die Geriatrische Tagesklinik unterstützt charmant in wohnlicher Atmosphäre, zum Beispiel nach einem stationären Aufenthalt oder durch eine Einweisung des Haus- oder Facharztes.
Wer ist ein geriatrischer Patient?
Wann sind Menschen „alt“? In Fachkreisen ist man sich gar nicht einig, wann ein Mensch als alt und damit als geriatrischer Patient angesehen werden muss. Das kalendarische Alter ist nicht ausschlaggebend, weiß Dr. Schlee: „Wir haben schon 100-jährige behandelt, die wir fit nach Hause entlassen konnten – die körperlich und geistig so gut dabei waren, dass sie ihren Alltag weitestgehend gut alleine bewältigen konnten. Aber wir haben auch immer wieder Menschen in Behandlung, die deutlich jünger und schon pflegebedürftiger sind. Alter hat nicht zwangsläufig etwas mit den Lebensjahren zu tun, sondern mit dem körperlichen Zustand.“ Für die Definition des „geriatrischen Patienten“ wird auf die Anzahl und Art der Erkrankungen geschaut. Die von Dr. Schlee schon erwähnten Mehrfacherkrankungen sind ausschlaggebend für die Definition. Ab einem Alter von 60 Jahren können prinzipiell alle Patienten in der Geriatrie aufgenommen werden, wenn erheblich ausgeprägte Erkrankungsbilder vorliegen.
Besondere Herausforderungen der Altersmedizin
Ältere und geriatrische Patienten kommen nicht nur mit vielen Nebenerkrankungen in die Fachabteilung der Altersmedizin, sondern häufig auch mit zehn oder mehr Medikamenten (Polypharmazie). Patienten sammeln im Laufe ihres Lebens immer mehr Medikamente, die nicht immer gut zusammenpassen oder routinemäßig weiterhin eingenommen werden. Die Wirkstoffe interagieren und generieren Nebenwirkungen, die im schlimmsten Fall vom nächsten Facharzt als behandlungswürdige Erkrankung diagnostiziert werden – und damit steht dann oft noch ein Medikament mehr auf der Liste.
Die Multimorbidität macht es notwendig und wichtig, bei jedem Patienten wieder ganz genau hinzuschauen und gegebenenfalls geeignetere Präparate zu finden. Das machen inzwischen auch schon Hausärzte, die aufgrund der sich wandelnden Altersstruktur der Bevölkerung entsprechend fortgebildet sind.
Wie wollen wir im Alter leben?
Auf den vier Stationen stehen Fachärzte für Innere Medizin, Neurologie, Allgemeinmedizin und weitere ausgebildete Geriater und Geriaterinnen bereit sowie Assistenzärzte und Assistenzärztinnen, um sich in enger Abstimmung um die Patienten und Patientinnen zu kümmern. Sie arbeiten mit einem großen Team aus Physiotherapeuten und -therapeutinnen, Ergotherapeuten und -therapeutinnen, Logopädinnen, Psychologen und Psychologinnen sowie Mitarbeitenden im Sozialdienst zusammen. Gemeinsames Ziel: Patienten und Patientinnen sollen von Tag 1 in der Geriatrie befähigt werden, ihr Leben nach dem Krankenhausaufenthalt so selbständig und selbstbestimmt wie möglich wieder aufzunehmen.
Zentren für Altersmedizin werden immer wichtiger: Wird der Anteil älterer, alter und hochbetagter Menschen in der Bevölkerung größer, steigt der Bedarf an einer altersgerechten medizinischen Versorgung. Aktuell liegt der Prozentsatz der Menschen, die in Pflegeheimen untergebracht sind, im einstelligen Prozentbereich.
Die geriatrische Tagesklinik: Tagsüber in Behandlung, abends zu Hause
Das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda schafft mit der Geriatrischen Tagesklinik ein Angebot im Übergangsbereich. Das Angebot greift da, wo geriatrische Patienten und Patientinnen noch keine stationäre Behandlung benötigen, aber nicht so fit und gesund genug sind, um sich selbständig um eine ambulante Behandlung zu kümmern oder ambulante Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft oder nicht umsetzbar sind.
Patienten und Patientinnen werden morgens zu Hause abgeholt, verbringen den Tag in der Tagesklinik, und werden abends wieder nach Hause gebracht. In der Tagesklinik findet eine umfassende Funktionsdiagnostik statt. Tägliche Visiten, Diagnostik und Therapie gehören genauso dazu wie die aktivierende therapeutische Pflege, Hilfsmittelanpassung und psychologische Diagnostik und Versorgung. Alles, was in der stationären Behandlung zur Verfügung steht, kann in der Tagesklinik genauso genutzt werden. Die Tagesklinik steht allen Menschen offen, die in die Definition des geriatrischen Patienten fallen und bei denen eine Art/Form von Behandlungsbedarf besteht. Da die Diagnostik in der Tagesklinik stattfindet, reicht eine Einweisung vom Hausarzt aus.
Kontakt:
Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gGmbH
Sekretariat der Geriatrie
Frau Vera Eppendorf und Frau Manuela Katusic
Tel. (0661) 15 – 1102 und (0661) 15 – 1104
E-Mail: sekretariat.geriatrie@herz-jesu-krankenhaus.de
Geriatrische Tagesklinik:
Tel. (0661) 15 – 5112
Weitere Informationen zum Angebot der Geriatrie
Den vollständigen Beitrag unter Osthessen News: https://osthessen-news.de/n11772039/geriatrie-am-herz-jesu-dr-med-steffen-schlee-ueber-die-schulter-geschaut.html
Redaktion: Melanie Weber – OsthessenNews
(Stand: 26.02.2025)