Auf der Intensivstation in Fulda ist die Arbeit meist sehr bedrückend. Weil das Durchschnittsalter der Corona-Infizierten zur Zeit sinkt, belegen häufig Jüngere die Intensivbetten.
Fulda – Die Corona-Station am Herz-Jesu-Krankenhaus in Fulda trägt den Namen „Louise“. Dort werden diejenigen behandelt, deren Krankheitsverlauf schlimm ist, die aber gute Chancen haben, wieder zu genesen. Genau hier, das sagt Stationsleiterin Susanne Leister, liegen im Vergleich zu den ersten Wellen nun eher jüngere Leute. Noch in der zweiten Welle sei die Situation eine andere gewesen, da waren Erkrankte häufig über 80, inzwischen lägen auf Station auch die 20- bis 35-Jährigen.
Professor Dr. Bernd Kronenberger, Chefarzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie und Kardiologie erklärt, dass zur Zeit vor allem die mittlere Generation relativ schwere Verläufe vorweist. „Das sind die Eltern, die zuerst alle anderen gepflegt haben, die es dann richtig erwischt.“
Fulda: Corona-Belastung im Herz-Jesu-Krankenhaus – Personal berichtet
Der Chefarzt vermutet, dass die Viruslast nach viel Kontakt mit Infizierten schließlich so hoch ist, dass sie sehr schwer erkranken. Und zum Teil dann auch mit einer speziellen Sauerstoffmaske beatmet werden müssen. „Und alle, die das und die Krankheit durchlaufen haben, sagen, sie wollen sie auf keinen Fall noch einmal haben“, erklärt er.
Diesen Eindruck bestätigt auch Pflegekraft Marianne Möller, die die Intensivstation leitet. „Da sind zum Teil gestandene Männer, die durch das Virus umgehauen werden und zu schwach sind, um sich ohne große Anstrengung aufzusetzen“, berichtet sie. „Das ist schon ein fieses Virus“, fügt sie leise hinzu und schaut dabei kopfschüttelnd zu Boden. Vieles ist aufwendiger geworden, neue Aufgaben sind hinzugekommen und die Arbeit mit den Schwerkranken beschäftigt das Personal nach Feierabend – mehr als ohnehin schon.
Belastend, davon erzählen sowohl der Arzt als auch die beiden Pflegerinnen, seien nicht nur die Masken, welche die Pflegenden außer in den Pausen durchgehend tragen müssen, sondern auch die Isolation der Patientinnen und Patienten. Dadurch fällt ein Großteil der seelischen und psychischen Betreuung auf die Pflegekräfte zurück: Da, wo früher Angehörige mit den Kranken geredet oder Nähe gezeigt und Zuversicht zugesprochen haben, sind nun Möller, Leister und das gesamte Pflegeteam gefragt: „Das ist auch von der psychischen Belastung her schwierig – da knabbert jeder dran.“
Oft müssten die Ängste der Erkrankten besprochen werden, und auch die Angehörigen bräuchten viel Kontakt mit den Pflegekräften, die die Sorgen auffangen müssten. Einige Bilder gehen auch Leister und Möller vom Pflegeteam nicht aus dem Kopf. So hielt eine an Corona erkrankte Frau wohl bei einer Visite in der einen Hand ein Kreuz und in der anderen ein Bild von den Enkeln, weil sie dachte, sie schaffe es nicht. „Wir sind nicht nur medizinisches Personal, sondern auch noch Menschen und betroffen“, sagen Möller und Leister in Gedanken an die sehr schwer Erkrankten.
Pflegekraft Marianne Möller: „Das ist schon ein fieses Virus“
Solche Erlebnisse belasten alle, die auf den Stationen mit Corona-Kranken arbeiten. Dies verschärfe sich auf der Intensivstation noch: Denn diejenigen, die künstlich beatmet werden müssen, bräuchten praktisch 1:1-Betreuung – also jeweils eine Pflegekraft, die sich um eine beatmete Person kümmert. „Die Geräte müssen überprüft, die Patienten müssen gedreht werden, sie brauchen eine andere Liegeposition – das ist sehr aufwendig“, sagt Möller.
Auch das An- und Ablegen der Schutzkleidung für den Umgang mit Corona-Infizierten nehme Zeit in Anspruch – ein zusätzlicher Druck laste damit auf den Krankenhaus-Beschäftigten, wie Kronenberger aus Erfahrungen berichtet. „Wir haben hier hochausgebildete Pflegekräfte. Manchmal werden sie leider respektlos behandelt“, sagt der Chefarzt.
Er fordert mehr Respekt und Wertschätzung. Denn was das Team seit Beginn der Pandemie leiste, sei noch einmal sehr viel mehr als im normalen -Alltag. „Das System fängt alles auf – aber zu welchem Preis ist die Frage“, sagt Kronenberger. Das ist wörtlich zu verstehen – alle, die mit schweren Verläufen auf der Intensivstation landen, würden die Kosten durch Pflege, Aufenthalt, aufwendige Behandlung und die anschließende Regeneration noch in die Höhe treiben.
Alle drei sprechen sich klar für die Impfung aus und hoffen, dass sich möglichst viele impfen lassen. Denn sie beobachten, dass es diejenigen schlimm erwischt, die nicht geimpft sind. Sie merken aber auch, dass die Angehörigen jener, die schwer erkranken, anders über die Krankheit denken. „Wenn man jemanden da so liegen sieht, ist das ein Schock“, weiß Möller.
Kronenberger war in der Zulassungsforschung für neue Medikamente tätig und hält die Impfung für sicher, weil die Studien gut gemacht wurden. Die sehr schweren Verläufe würde die Impfung zuverlässig verhindern – und damit das schon strapazierte Gesundheitssystem vor der Überlastung schützen. Dass inzwischen viele Menschen auf der Corona-Station liegen, die noch ein Leben vor sich hätten, ließe sich mit der Impfung verhindern. So rate er mit Blick auf die Gesamtgesellschaft, aber auch mit Blick auf die Gesundheit aller zur Impfung.
Quelle: Fuldaer Zeitung
Redakteurin: Alina Komorek
Foto: © Alina Komorek / Fuldaer Zeitung
Der vollständige Artikel: https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/corona-belastung-herz-jesu-krankenhaus-fulda-personal-intensivstation-bernd-kronenberger-91071046.html
(Stand: 24.10.2021)
Foto Beschreibung (von links): Susanne Leister, Prof. Dr. Bernd Kronenberger und Marianne Möller kümmern sich um diejenigen, die schwer an Corona erkrankt sind.