Verteilung des Corona-Pflegebonus führt zu viel Ärger / Kein Ermessen für Krankenhäuser vor Ort
Fulda – Eigentlich sollte er eine ebenso schöne wie spürbare Anerkennung für die besonders anstrengende Pflege von Corona-Kranken sein. Doch der vom Bundestag beschlossene Pflegebonus sorgt in osthessischen Krankenhäusern jetzt für deutlich mehr Ärger als Freude.
Die Mitarbeiter einer Psychiatrie-Station im Kreis Fulda sind wütend: „Wir sind empört. Viele Pflegekräfte unseres Hauses erhalten einen Coronabonus, doch wir erhalten diese immens hohe Sonderzahlung nicht. Das ist absolut ungerecht, denn unsere Station hat viel in den vergangenen zwei Jahren geleistet“, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Die Krankenschwester erläutert weiter: „Wir haben viele Covid-Patienten gepflegt, versorgt und sogar auf ihrem letzten Weg begleitet.“ Doch den Coronabonus gibt es für sie nicht. „Das ist für uns wie ein Schlag ins Gesicht. Die Politik und dieses unfaire Verfahren haben uns schwer enttäuscht. Etwas so Demotivierendes habe ich in meiner gesamten Karrierelaufbahn noch nicht erlebt.“
Was sie so ärgert: Der Bund gewährt Mitarbeitern von Krankenhäusern und Altenheimen jetzt erneut eine Coronaprämie: rund 2200 Euro für eine examinierte Pflegefachkraft „in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen“ und rund 3300 Euro für eine Fachkraft auf Intensivstation – steuerfrei. Doch viele Mitarbeiter, die im Krankenhaus an der Coronafront im Einsatz waren, erhalten diese Prämie nicht. In der Psychiatrie, in Notaufnahmen und Operationssälen etwa gibt es keine Prämie. So will es der Gesetzgeber in Berlin.
„Wer die Prämie bekommt, ist im Pflegebonusgesetz vom 28. Juni genau geregelt. Wir haben keinen Einfluss auf die Vergabe“, berichtet Dr. Thomas Menzel, Vorstandschef des Klinikums. „Wir haben über unsere Verbände versucht, die Vergabekriterien zu ändern. Wir haben gewarnt, dass diese Kriterien für Ärger sorgen werden und dass das so zu mehr Ärger als Freude in den Krankenhäusern führen wird“, sagt Menzel. „Doch die Bundespolitik war zu keiner Änderung bereit. Wir teilen den Unmut der Mitarbeiter, die leer ausgehen, aber wir müssen die Vorgaben einhalten.“
Bei den ersten Coronaprämien 2020 und 2021 durften die Krankenhauschefs und die Betriebsräte vereinbaren, dass alle Mitarbeiter bedacht werden. Doch jetzt schreibt der Bundestag genau vor,
wer die Prämie erhält – und wer nicht. In 837 Kliniken, die 2021 viele Coronapatienten hatten, wird die Prämie gewährt. Dazu gehören das Klinikum und das Herz-Jesu-Krankenhaus in Fulda sowie das Helios St. Elisabeth-Krankenhaus in Hünfeld.
Auch im Herz-Jesu-Krankenhaus gibt es Unmut. „Wir freuen uns über die Bonuszahlung für viele Mitarbeiter in der Pflege“, sagt Sprecherin Viktoria Schmitt. „Andererseits bedauern und kritisieren wir deutlich, dass wir als Krankenhaus keinen Ermessensspielraum bei der Verteilung haben. Mitarbeiter in der Pflege mit abweichenden Qualifikationen oder andere Berufsgruppen
im Gesundheitswesen, die genauso täglich hohen Einsatz für die Patienten leisten, gehen aufgrund der starren Bonus-Regelung leer aus. Das empfinden viele Pflegekräfte als ungerecht.“
„Auch bei uns führt die Auszahlung des Corona-Pflegebonus zu Unmut“, berichtet Gudrun Käsmann, Sprecherin bei Helios St. Elisabeth in Hünfeld. „Erstens erhalten Mitarbeiter, die nicht Pflegefachkraft sondern Medizinische Fachangestellte sind, den Bonus nicht, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten. Zweitens sind Mitarbeiter, die ebenso in die direkte Patientenversorgung
eingebunden sind, wie etwa Physiotherapeuten oder OP-Pfleger, vom Bonus ausgeschlossen, da sie nicht auf bettenführenden Abteilungen im Einsatz sind.“ Das Gesundheitsministerium erklärt die strengen Kriterien damit, dass es für den Bonus in Krankenhäusern nur 500 Millionen Euro zur Verfügung gehabt habe.
Kommentar: Scheitern mit Ansage
Die Verteilung der Coronaprämie für Pflegekräfte zeigt die Schwächen der Gesundheitspolitik, meint Volker Nies
Dass der Bundestag aus Steuergeldern eine Milliarde Euro bereitstellt, um den besonderen Einsatz von Pflegekräften in Krankenhäusern und Seniorenheimen zu würdigen, ist gut. Für die Beschäftigten in vielen Berufen bedeutete die Coronapandemie eine enorme Belastung. Doch in Kliniken und Pflegeheimen waren die Lasten besonders groß. Deshalb ist die Zahlung von Prämien, die noch dazu netto bei den Betroffenen ankommen, eine gute Sache.
Aber warum, um Himmels Willen, wollte die Ampel in Berlin bei der Verteilung der Prämie diesmal schlauer sein als die Krankenhausführungen und Betriebsräte vor Ort? Über die Verteilung
der ersten Corona-Prämien 2020 und 2021 durften die Krankenhäuser selbst entscheiden. Doch diesmal regelt der Bundestag die Verteilung bis ins Detail.
Dieses „Wir in Berlin wissen es aber besser“ hat Folgen: Viele Schwestern und Pfleger, die Corona-Kranke gepflegt haben, gehen leer aus: Mitarbeiter der Notaufnahmen? Keine Prämie. Beschäftigte der Psychiatrien? Keine Prämie. Operationsschwestern, Physiotherapeuten, medizinische Fachangestellte? Auch keine Prämie.
Der Unmut der betroffenen Mitarbeiter lädt sich aber nicht bei der Politik, sondern bei den Führungen der Krankenhäuser ab. Dabei lässt die Ampel den Klinikchefs nicht den geringsten
Ermessensspielraum bei der Verteilung der Prämie. Das Schlimme ist: Das Scheitern der Coronaprämie deutete sich schon im Frühjahr an. Das Gesundheitsministerium wurde frühzeitig
davor gewarnt, den Empfängerkreis der Coronaprämie diesmal so eng so fassen. Das werde zu viel Ärger führen, warnten etwa auch die Krankenhaus-Verbände.
Die Ampel hielt an ihren Plänen fest – und erleidet damit jetzt Schiffbruch. Mit Misstrauen gegenüber den Betroffenen vor Ort und einer Haltung des Besserwissers lassen sich eben nur selten gute Gesetze machen.
Den vollständigen Beitrag unter Fuldaer Zeitung: https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-verteilung-des-corona-pflegebonus-fuehrt-aerger-in-kliniken-osthessen-krankenhaeuser-91890054.html
Redaktion: Volker Nies
(Stand: 02.11.2022)