Bildunterschrift: Drei Gesundheits-Fachleute aus der Region beim coronakonformen FULDA AKTUELL-Gespräch: Redaktionsleiter Bertram Lenz, Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Menzel, Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt, Michael Sammet und Verlagsleiter Michael Schwabe (von links). © Göbel / FuldaAktuell
Mit 112.323 Fällen hatte am Mittwoch in Deutschland die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen erstmals die Marke von 100.000 überschritten, die Inzidenz war auf 584,4 gestiegen. Daher hätte der Zeitpunkt für FULDA AKTUELL nicht passender sein können, um drei ausgewiesene Experten aus dem regionalen Gesundheitsbereich zu einer Gesprächsrunde einzuladen.
Fulda – Gekommen sind Fuldas Erster Kreisbeigeordneter und Gesundheitsdezernent Frederik Schmitt, Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Menzel vom Vorstand des Klinikums Fulda und Geschäftsführer Michael Sammet vom „Herz-Jesu-Krankenhaus“ Fulda.
Für FULDA AKTUELL-Verlagsleiter Michael Schwabe sieht es unsere Zeitung als Aufgabe und Verpflichtung an, die Bürgerinnen und Bürger mit fundierten Informationen aus erster Hand zu versorgen. Dies gerade zu einem solch wichtigen Thema wie der Coronapandemie mit all ihren Facetten.
„Herz-Jesu“-Geschäftsführer Sammet zufolge ist die aktuelle Situation in seinem Krankenhaus noch beherrschbar, doch geht er vor dem Hintergrund der sprunghaften Verbreitung der Omikron-Variante davon aus, „dass in den nächsten Wochen noch große Herausforderungen auf uns zukommen“. Insofern teile er die Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der sich ähnlich geäußert hatte. Das Problem werde sein, wenn aufgrund von Isolierung und Quarantäne zunehmend das medizinische und pflegerische Personal als auch weitere Infrastrukturen betroffen seien wie Lieferanten- und Kurier- sowie Patiententransportdienste.
Personal im Dauerstress
Auch Menzel befürchtet, dass im Klinikum in den nächsten Wochen mehr Patienten trotz im Durchschnitt milderer Krankheitsverläufe aufgenommen werden müssen. Und dann stelle sich die Frage, ob und wie diese Anzahl vom Personal versorgt werden könne. Er unterstreicht, unterstützt von Sammet: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Hervorragendes leisten, sind seit zwei Jahren im Dauerstress, viele sind müde und erschöpft. Eine erneute Welle, die wir zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht ausschließen können, wird dann einen noch höheren Stressfaktor bedeuten“. Sammet verweist noch auf ein Problem, das sich nach Ende der Pandemie abzeichnen könnte: Die Erfahrungen während Corona könnten junge Menschen davon abhalten, einen medizinischen oder pflegerischen Beruf zu ergreifen. Dieser Fachkräftemangel würde sich dann massiv auf unsere noch gut funktionierende Gesundheitsversorgung auswirken.
Erster Kreisbeigeordneter Schmitt spricht von einem „Wechsel in Wellen“, der diese Pandemie kennzeichne. Wegen Omikron gehe der Trend derzeit „klar nach oben“, und auch für den Landkreis Fulda erwarte er, dass – in der Gesamtschau betrachtet – die Inzidenz weiter steigen werde. Die Hospitalisierungsrate sei aktuell dagegen gut, seiner Auskunft vom Mittwochnachmittag zufolge lagen elf Menschen auf den Intensivstationen der Krankenhäuser.
Interessant sei folgender Wert: Bei Personen der Altersgruppe zwischen 0 und 20 Jahren liege die Inzidenz bei „deutlich über 1.000“, bei Personen über 80 Jahren dagegen „unter 100“. Dies sei kein Wunder, gebe es in letztgenannter Gruppe doch die höchste Impfquote. Sein Fazit der gegenwärtigen Situation im Landkreis Fulda: „Die Lage ist gut, weil so viele Mitbürgerinnen und Mitbürger bereits geimpft sind“. Aus Sicht der Arbeitgeber freilich sei die Prognose bedenklich, denn wenn sich viele Menschen in Isolierung und Quarantäne befänden, bestehe die Gefahr, dass Teile des öffentlichen Lebens ausfallen. Schmitt dankt den beiden Vertretern von Klinikum und „Herz-Jesu-Krankenhaus“ ebenso wie den Städten und Gemeinden sowie „Maltesern“ und dem „DRK“, die sehr schnell dafür gesorgt hätten, dass es im Landkreis dezentrale Impfangebote gegeben hätte und gäbe. So habe sich im Dezember das Impfangebot verdreifacht.
Omikron und Endemie
Auf die Frage, ob die drei Experten die Einschätzung teilten, wonach Omikron einen Ausweg aus der Coronapandemie sein könnte, betont Gesundheitsdezernent Schmitt, „dass Omikron und Impfung zusammen wichtige Teile sind, um aus der Pandemie in eine Endemie überzugehen“. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht er im Übrigen keine Notwendigkeit einer Schließung von Kindergärten oder Schulen. Dies gerade auch, weil es dank Frühtests – unter anderem am Klinikum – möglich sei, Infektionen früh zu erkennen und die betroffenen Kinder und Jugendlichen dann nicht in den Hort oder in den Schulunterricht zu schicken.
Menzel unterstreicht bei diesem Thema erneut, „dass es unser Ziel sein muss, die Welle zu strecken und den weiteren Belastungen des Gesundheitswesens aus dem Weg zu gehen“. Erfahrungen, wie sie mit Omikron beispielsweise in Südafrika oder Großbritannien gemacht worden seien, könne man nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, da die Rahmenbedingungen andere seien.
Der Vorstand des Klinikums: „Wir, die in den Krankenhäusern arbeiten, sind keine Propheten, aber wir müssen uns auf weiterhin schwierige Zeiten einstellen. Denn wenn die Patientenzahlen weiter steigen, sind wir es, die vor Ort für die Versorgung verantwortlich sind. Deshalb sollte alles getan werden, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Ganz wesentlich dabei ist, die Impfrate der Bevölkerung zu erhöhen.“
Einen anderen Aspekt bringt „Herz-Jesu“-Geschäftsführer Sammet ein: Er sehe zunehmend die Gefahr, dass Omikron im Zusammenhang mit der Bezeichnung „milde Verläufe“ verharmlost werde. Dies sei gerade auch bei denjenigen der Fall, die einer Impfung eher negativ gegenüberstehen.
Stichwort Impfung: Hier betont Menzel, dass die Gefahr, sich mit dem Virus zu infizieren, nach einer Boosterung um zwei Drittel geringer sei. „Und auch gegen Omikron hilft die Impfung“, so der Klinikum-Vorstand, der es als „Blödsinn“ bezeichnet, sich mit Omikron „schmutzig“ impfen zu lassen und dabei darauf zu setzen, dass sich alle irgendwann infizieren und dann immunisiert sind.
Zu den Protesten
Bliebe noch die Thematik der Proteste gegen die Coronamaßnahmen und das Impfen: Schmitt zufolge ist es in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung normal, dass es Menschen gibt, die unterschiedlicher Meinung sind und dies auch öffentlich bei Demonstrationen kundtun. Man müsse allerdings auf diejenigen besonders achten und sich gegen diese wehren, die versuchten, daraus Profit schlagen zu wollen und die nicht auf dem Boden der Verfassung stünden. Seiner Ansicht nach hat die ganz große Mehrheit der Bevölkerung Verständnis für die Corona-Maßnahmen und könne diese nachvollziehen. „Da spüre ich großen gesellschaftlichen Zusammenhalt“, so Schmitt, dem Menzel beipflichtet und der seinerseits betont, dass eine kleine Minderheit versuche, möglichst viele Mitläufer zu beeinflussen. Die Coronapandemie lasse ganz bestimmte Mechanismen und Verhaltensweisen zu Tage treten. Nach einem Ende der Seuche müsse eine Debatte über Wahrheit und Fakten neu geführt werden. „Und diejenigen, die gerade Freiheit rufen, verhindern sie eigentlich“.
Für Sammet liegt ein Grund für die Proteste darin, „dass viele die Gefahr, die von dem Virus ausgeht, nicht sehen, weil das Virus nicht greifbar ist. Dabei kommen wir nur mit einer möglichst hohen Impfquote raus aus der Pandemie. Davon müssen wir die Menschen weiter überzeugen“.
Quelle: FuldaAktuell, lokalo24.de
Redakteur: Bertram Lenz
Foto: FuldaAktuell – Göbel
Der vollständige Artikel: https://www.lokalo24.de/lokales/fulda/expertenrunde-bei-fulda-aktuell-zum-thema-nr-91251145.html
(Stand: 22.01.2022)