Brustkrebs ist kein Todesurteil
Dr. med. Alexander Dengler und Lisa Schulte sprechen im Interview über die häufigste Krebsart bei Frauen
Der Monat Oktober steht im Zeichen der Brustkrebsaufklärung. Welche Rolle das Mammografie-Screening bei den Heilungschancen spielt und wo seine Grenzen liegen, erklären Chefarzt Dr. Alexander Dengler und Oberärztin Lisa Schulte vom Fuldaer Herz-Jesu-Krankenhaus.
Wie gut sind die Heilungschancen bei Brustkrebs?
Dengler: Das variiert. Die bei der Mammografie diagnostizierten und entdeckten Fälle haben eine höhere Heilungschance, weil sie früh entdeckt werden. Brustkrebs ist generell kein Todesurteil. Die Möglichkeiten, die Krankheit zu erkennen und zu behandeln, sind derart vielfältig geworden, dass es sehr gute Überlebenschancen gibt. Bei anderen Krebsarten ist das anders. Bei Bauchspeicheldrüsenkrebs gibt es zum Beispiel keine Früherkennung und auch keine frühen Symptome. Daher ist bei dieser Krebsart die Überlebenschance gering.
Wie werden Patienten mit Brustkrebs heute behandelt?
Schulte: Unsere Aufgabe besteht darin, dass aus der Erkrankung abzuleitende Risiko zu definieren. Und diesem Risiko bestimmte Maßnahmen
entgegenzustellen. Bei der Erkrankung Brustkrebs wird immer der gesamte Körper behandelt. Das kann eine Strahlentherapie sein, eine Chemotherapie, Immuntherapien oder eine andere hormonelle Behandlungstherapie. Welche Maßnahmen zur Anwendung kommen, richtet sich nach der Zelleigenschaft des Krebses: Wie groß ist der Tumor? Sind benachbarte Lymphknoten befallen? Und wie hochgradig bösartig ist der Krebs?
Ab wann sprechen Sie von einem höhergradig bösartigen Krebs?
Dengler: Wenn er eine hohe Zellteilungsrate hat und wenig gut auf Hormone in seinem Wachstum reagiert.
Schulte: Und ab einer Größe von zwei Zentimetern.
Deshalb ist Vorsorge so wichtig?
Dengler: Durch Früherkennung geben wir dem Krebs weniger Zeit, größer zu werden, sodass die allerbösartigsten Zellen nicht überhandnehmen. Leider sind das genau die Zellen, die schneller wachsen als die anderen. Je mehr Zeit vergeht, umso schlimmer wird es. Früherkennung durch ein Mammografie-Screening hat also nicht nur den Vorteil, die Überlebenschancen zu erhöhen, sondern dass für dieses Überleben oft auch weniger belastende Maßnahmen nötig sind.
Also nur Strahlentherapie und keine Chemo?
Dengler: Genau. Das ist ein Faktor von mehreren Therapiebausteinen.
Kann man im Mammografie-Screening Karzinome entdecken, die man noch gar nicht fühlt?
Schulte: Ja. Wir entdecken den Krebs häufig, noch bevor er invasiv geworden ist. Wir sehen also oftmals schon die Vorstufen von Krebs.
Wie sieht eine solche Vorstufe aus?
Dengler: Das ist häufig ganz feiner Kalk, der sich in der Brust befindet. Der entsteht, weil an einer Stelle viele Zellen gewachsen sind, die dann absterben, und aus deren Abfallprodukten bildet sich Kalk, der zu sehen ist. Der lässt sich dann minimal invasiv entnehmen.
Wo kommt das Screening an seine Grenzen?
Dengler: Beim Screening ist es wichtig, dass die Brust für Röntgenstrahlen durchlässiger geworden ist. Durch den Wegfall der körpereigenen
Hormone nimmt diese Drüsendichte mit dem Eintritt in die Wechseljahre ab. Das ist ein Grund, weshalb Frauen erst ab 50 zum Screening eingeladen werden.
Das heißt: Bei sehr dichten Brüsten ist die Mammografie erschwert?
Dengler: Ja. Derzeit wird darüber diskutiert, ob man die Altersgrenze für das Screening von 50 auf 45 vorverlegt. Diese Entscheidung ist genau aus dem Grund noch nicht getroffen.
Wäre dann nicht eine Magnetresonanztomografie, also ein MRT, sinnvoller? Es gibt ja Radiologen, die sich dafür aussprechen.
Dengler: Einige, die das fordern, haben ein finanzielles Interesse, besonders viele MRTs zu machen. Aber ein MRT ist keine Früherkennungsmaßnahme. Es können dadurch zum Beispiel nicht die Vorstufen des Brustkrebses dargestellt werden. Hinzu kommt, dass bei einer solchen Schichtbild-Untersuchung 100te Bilder gemacht werden. Dabei werden auch Veränderungen angezeigt, die gar keinen Krankheitswert haben. Das alles abzuklären, wäre nicht zu schaffen. Abgesehen davon würde es die Patientinnen verunsichern.
Wie sieht es mit dem Krebsrisiko durch die Röntgenstrahlen aus?
Dengler: Jede Maßnahme, die man macht oder nicht macht, geht mit möglichen Nebenwirkungen einher. Die Geräte sind aber mittlerweile so gut, dass die Strahlenbelastung geringer ist als alles, was wir durch natürliche Exposition, etwa beim Fliegen, aufnehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man durch das Mammografie-Screening Krebs bekommt, ist im Vergleich zur natürlichen Krebsrate so gering, dass es keine negativen Auswirkungen hat.
Wie kann man die Prävention noch verbessern?
Dengler: Übergewicht, Nikotin und Alkohol vermeiden, viel Sport und Bewegung sowie eine adäquate ballaststoffreiche und pflanzenbasierte Ernährung.
Es gibt ja auch genetische Faktoren, die Brustkrebs begünstigen. Durch Gentests lässt sich das Risiko ableiten. Ein berühmtes Beispiel ist Angelina Jolie, die sich prophylaktisch beide Brüste abnehmen ließ, weil sie die Genmutation BRCA1 hat. Wie häufig
kommt es vor, dass Frauen vorsorglich diesen Schritt tun?
Dengler: Das kommt nicht häufig vor. Aber mit zunehmendem Wissen um die Genetik erhält das einen höheren Stellenwert.
Wenn es nötig wird, die Brüste abzunehmen, was bedeutet das konkret?
Dengler: Vorzugsweise würden wir immer Brust erhaltend operieren, also nur das erkrankte Material herausnehmen. Manchmal ist es allerdings auch nötig, die vollständige Entfernung zu empfehlen und das sollte grundsätzlich mit dem Angebot einer Rekonstruktion einhergehen. Das lässt sich mit Implantaten oder auch mit körpereigenem Gewebe realisieren. Ziel ist es, möglichst den vorherigen Zustand wieder herzustellen. Das gelingt inzwischen sehr gut.
WIE EINE MAMMOGRAFIE ABLÄUFT
Frauen zwischen 50 und 75 Jahren werden alle zwei Jahre zu einem vordefinierten Termin zur Mammografie eingeladen. Beim Screening werden zwei Röntgenbilder der Brust in zwei Ebenen angefertigt. Das Ergebnis wird von zwei unabhängigen Untersuchern befundet. Bei einer Auffälligkeit, wird die Frau zur weiteren Abklärung nochmal eingeladen.
Bei diesem Folgetermin wird eine spezielle Mammografie angefertigt, bei der das fragliche Areal mit einer Vergrößerungsmammografie untersucht wird. Außerdem wird eine Schichtmammografie mit mehreren Bildern angefertigt sowie ein Ultraschall. Ist die Veränderung weiterhin darstellbar, wird minimalinvasiv eine Gewebeprobe entnommen, die dann von einem Pathologen untersucht wird. In einer regelmäßigen Konferenz werden diese auffälligen Ergebnisse mit Radiologen, Pathologen sowie den Vertretern aus den Kliniken besprochen.
IN ZAHLEN
- 71 000 Neuerkrankungen in Deutschland zählt das RKI jährlich. Brustkrebs ist damit die häufigste Krebsart bei Frauen.
- 12 Prozent der Frauen, also jede Achte, erkrankt im Laufe ihres Lebens.
- 18 500 Frauen sterben jährlich an Brustkrebs.
Artikel der Fuldaer Zeitung
Redaktion: Daniela Petersen
Stand: 27.10.2025 (Fuldaer Zeitung, Seite 4)