Fuldaer Zeitung: Corona-Statistik mit blinden Flecken

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Impfstatus ist bei vielen Corona-Toten gar nicht bekannt

Zahlen belegen Versäumnisse / Osthessens Kliniken haben Daten geliefert

Der damalige Gesundheitsminister Spahn nannte die Corona-Krise 2021 die „Pandemie der Ungeimpften“, sein Nachfolger Lauterbach behauptete, dass es vor allem die Ungeimpften seien, die die Intensivstationen belegten. Doch stimmt das überhaupt? Zahlen zum Impfstatus der Corona-Toten lassen solche Schlussfolgerungen nicht zu.

Vereinzelt hört man auch heute noch von Coronafällen, doch die wenigsten testen sich überhaupt noch. Für viele sind Coronaimpfungen kein Thema mehr. Die Pandemie wirkt Jahre später wie ein Fiebertraum, den man lieber vergessen möchte. Doch das wäre zu einfach. Manche Maßnahmen waren einschneidend – vor allem für Menschen, die sich gegen eine Impfung entschieden haben. Sie hatten mit Ausgrenzung zu kämpfen, besonders als es hieß, dass es die Ungeimpften seien, die die Intensivbetten der Kliniken belegten und dass sie ihre Mitmenschen gefährden würden. Die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichte Ende 2021 einen Artikel mit der Überschrift „Für einen Patienten, der sich weigert, würde ich nicht kämpfen“.

Zum damaligen Zeitpunkt gab das Robert Koch-Institut (RKI) Zahlen heraus, wonach die Mehrheit der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen ungeimpft war. Bei 90 Prozent – 8912 Fällen –, die zwischen dem 14. Dezember 2021 und dem 12. Januar 2022 auf Intensiv lagen, war der Impfstatus bekannt. 5521 Personen – also 62 Prozent – waren ungeimpft. 28,4 Prozent hatten einen vollständigen Impfschutz, 9,6 Prozent einen unvollständigen. Anhand der Todeszahlen lässt es sich jedoch nicht sagen, ob es primär die Ungeimpften traf. Auf Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Kay-Uwe Ziegler heißt es im Oktober 2025 aus dem Gesundheitsministerium, dass von 187 000 Personen, die während der Pandemiejahre an oder mit Corona gestorben sind, rund 39 000 ungeimpft waren. Einmal geimpft waren mindestens 33 000. Bemerkenswert sind zwei Dinge: Erstens von den 39 000 Corona-Toten, die ungeimpft waren, fallen 36 000 ins Jahr 2020. Sie starben also zu einem Zeitpunkt, als es die Möglichkeit zur Impfung noch gar nicht gab. Und zweitens: Beim überwiegenden Rest, also bei 115 000 Fällen, ist der Impfstatus gar nicht bekannt. Das jedenfalls geht aus der Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Georg Kippels an Ziegler hervor.

Warum der Status in 60 Prozent der Todesfälle nicht erfasst wurde, obwohl der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte Juli 2021 per Verordnung die Krankenhäuser anwies, den Impfstatus zu notieren, ist fraglich. Über diesen Umstand hat die „Neue Zürcher Zeitung“ Anfang Oktober berichtet und dabei das Robert Koch-Institut zitiert: „Die Informationen zum Impfstatus müssen aktiv von den Ämtern ermittelt werden und liegen daher unvollständiger als andere Informationen in den Meldedaten vor.“

Das Klinikum Fulda erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass der Impfstatus aller Covid-19-Patienten „über den gesamten Pandemieverlauf hinweg sorgfältig dokumentiert“ worden sei. Intern ausgewertete Daten geben Aufschluss zu den Todesfällen: Seit Beginn der Pandemie starben in der Klinik insgesamt 394 Patienten an oder mit Covid-19. Davon waren laut Klinikum 135 Personen mindestens einmal geimpft, 259 nicht. „Diese Erfassung diente primär als Grundlage für die klinische Versorgung und zur Bewertung des Krankheitsverlaufs“, schreibt Barbara Froese, Pressesprecherin des Klinikums Fulda. Die erhobenen Daten seien regelmäßig und gemäß den verbindlichen Vorgaben den zuständigen Gesundheitsbehörden – insbesondere dem Robert Koch-Institut sowie dem Gesundheitsministerium –übermittelt worden.

Ähnlich formuliert es Viktoria Schmitt, die am Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist: „Grundsätzlich wurde bei jeder Aufnahme im Krankenhaus bei den Patienten der Impfstatus erfasst – dies galt nicht nur für Corona-Patienten, sondern für alle Patienten als Teil der regulären Anamnese. Dies einerseits ab dem Zeitpunkt, an dem die Erfassung des Impfstatus verpflichtend wurde und teils bereits auch davor, sofern die Information vorlag.“ Dabei sei festgehalten worden, ob jemand einmal oder mehrmals geimpft war. „In vereinzelten Fällen konnte es vorkommen, dass Angaben unvollständig waren, etwa wenn keine Unterlagen vorlagen oder bei unbekanntem Impfstatus“, ergänzt Schmitt.

Die Helios-Kliniken halten sich mit einer Antwort der Anfrage knapp: „Dort, wo wir seinerzeit angehalten waren, Daten an Behörden zu übermitteln, haben wir dies selbstverständlich getan. Wir bitten aber um Verständnis, dass wir diese nicht mehr veröffentlichen oder weitergehende Angaben machen können“, schreibt Pressesprecherin Cornelia Grimm, die für die Helios-Standorte in Hünfeld, Bad Kissingen, Meiningen und Hildburghausen zuständig ist.

Dass die von der Politik verwendete Phrase „Pandemie der Umgeimpften“ auch vom Robert Koch-Institut kritisch gesehen wurde, zeigen die Corona-Protokolle. Am 5. November 2021 heißt es in Bezug auf den Begriff der „Pandemie der Ungeimpften“: „Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei.“

Auf die Frage hin, ob das in der Kommunikation aufgegriffen werden solle, heißt es: „Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.“ Gesundheitsminister war Spahn – von ihm stammt außerdem der Satz, der schon zu Beginn der Pandemie fiel: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Was das alles ist, das soll eine Enquete-Kommission klären. Sie hat im September 2025 die Aufarbeitung der Pandemie aufgenommen. Ergebnisse sollen bis Ende 2027 vorliegen.

 

TODESFÄLLE ZU BEGINN DER PANDEMIE

  • 3211 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 wurden mit Stand vom 6. Januar 2021 hessenweit erfasst – zu einem Zeitpunkt, als
    die meisten sich noch gar nicht impfen lassen konnten.
  • 97 Todesfälle wurden zu dem Zeitpunkt im Landkreis Fulda erfasst.
  • 249 waren es im Main-Kinzig-Kreis.
  • 58 Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, gab es im Vogelsbergkreis.
    (alles Stand 6. Januar 2021)

 


Artikel der Fuldaer Zeitung
Redaktion: Daniela Petersen
Stand: 17.10.2025 (Fuldaer Zeitung, Seite 3)