Ein Baby ist nicht für jede Frau nur ein Grund zur Freude. Was, wenn das niemand wissen darf oder die Mutter sich nicht in der Lage sieht, das Kind zu behalten? Der Sozialdienst katholischer Frauen hat verschiedene Hilfsangebote, die greifen können. Eines davon ist die Babyklappe.
Fulda – „Babyklappe“ steht auf einem Schild, das neben der Notaufnahme des Herz-Jesu-Krankenhauses hängt. Ein Pfeil weist eine Treppe hinab. Hier befindet sich – vor Blicken geschützt, um die Anonymität der Mütter zu wahren – eine Babyklappe.
Sie ist quasi der letzte Ausweg für Mütter, die nicht wissen, wie sie sich um ihr Kind kümmern sollen. Hier können die Frauen ihr neugeborenes Kind anonym zur Adoption frei geben. „Das macht sich keine Frau einfach“, sagt Sarah Muth, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Fulda.
In Babyklappe in Fulda können Mütter anonym ihre Neugeborenen abgeben
Die Babyklappe ist eine Art Fenster, das von außen mit einem Taster geöffnet werden kann. Dahinter steht ein Wärmebettchen – es hält konstant 37 Grad Celsius. Auf dem Bett liegen Flyer des SkF, denn dort kann die Mutter sich Hilfe suchen. Auch ein Brief, in dem steht, wie die Mutter Kontakt zu ihrem Kind aufnehmen kann, liegt darin. Genauso wie Zettel und Stift.
So hat die Mutter die Möglichkeit, dem Kind einen persönlichen Brief zu hinterlassen, in welchem sie zum Beispiel Name und Geburtsdatum nennt. „Einmal hat eine Mutter eine Kiste mit ein paar Dingen für das Kind hinterlassen“, erinnert sich die Leiterin der Wochenstation Lioba im Herz-Jesu-Krankenhaus, Michaela Otterbein.
Doch noch etwas passiert, wenn die Mutter den grauen Knopf drückt: „Ein ganz bestimmtes Alarmsignal ertönt, sobald die Taste gedrückt und die Klappe geöffnet wird – auf der Station Lioba, im Kreißsaal und in der Notaufnahme“, erklärt Michaela Otterbein: „Ein Arzt, eine Hebamme und eine Kinderkrankenschwester machen sich direkt auf den Weg zur Babyklappe. Dort geben sie der Mutter Raum und Zeit, um sich zu verabschieden und nehmen dann das Kind in Empfang, denn das Baby könnte sich in einer Situation befinden, in der es akut Hilfe benötigt.“ Kontakt zur Mutter haben sie selbst keinen.
Babys werden erstversorgt, dann mögliche Adoptiveltern kontaktiert
Das Kind wird erstversorgt, und der Arzt überprüft, ob ein Notfall vorliegt oder nicht. „Wenn das so ist, steht unmittelbar eine Reanimationseinheit im Kreißsaal zur Verfügung“, erklärt Sabine Matulenski, Pflegedirektorin im Herz-Jesu-Krankenhaus und ergänzt: „Bislang ging es allen Kindern aber glücklicherweise gut.“
Dann werden Jugendamt und SkF in Kenntnis gesetzt, damit der Verein die Adoptiveltern informieren kann. Die kommen auch schon ein bis zwei Tage später ins Krankenhaus und können dann ein paar Tage mit dem Baby im Familienzimmer bleiben, um sich kennenzulernen. „Die Eltern können Fragen stellen und alles lernen, was notwendig ist“, erklärt Michaela Otterbein: „Es ist wichtig, von Anfang an viel Normalität zu vermitteln, Wärme und Nähe zu schenken.“
In den kommenden Jahren wird die Familie dann weiter vom SkF betreut. „Oft melden sich die Eltern auch bei uns, treffen nach einigen Jahren die Kinderkrankenschwester und zeigen ihren Kindern die Babyklappe“, berichtet die Leiterin der Wochenstation.
Kinderkrankenschwester dürfen sich Namen für Babys aussuchen
Die Kinderkrankenschwester ist auch diejenige, die sich den Namen für das Kind aussuchen darf, wenn die leibliche Mutter keinen angegeben hat. „Die Eltern können sich dann entscheiden, ob sie den Namen behalten wollen, oder ob sie dem Kind einen neuen Namen geben. Bislang haben aber alle Kinder unseren Namen behalten“, sagt Otterbein stolz.
Sie selbst war schon dabei, als Kinder in der Klappe abgegeben wurden. „Das macht schon etwas mit einem“, sagt sie: „Das Pflegepersonal ist aber sehr gut geschult, damit keine Hektik aufkommt und das Kind behütet aufgenommen wird“, erklärt Pflegedirektorin Matulenski: „Es herrscht eine gesunde Anspannung.“
„Wenn das passiert, bekommt der Adoptionsdienst binnen 24 Stunden eine Meldung. Ein Team fährt dann zu dem Kind, lernt es kennen kontaktiert geeignete Adoptivbewerbende“, erklärt SkF-Geschäftsführerin Muth und betont: „Die Adoptiveltern haben sich bewusst dafür entschieden, ein Kind zu adoptieren, dass in einer Babyklappe abgelegt wurde.“ Und: „Die Kinder sollen früh erfahren, dass sie in einer Babyklappe abgelegt wurden. Es wird früh kommuniziert, dass sie eine ‚Bauchmama‘ und eine ‚Herzmama‘ haben“, sagt Muth. Es gebe auch regelmäßig Treffen der Familien, die eines der Kinder adoptiert haben
Alternative zur Babyklappe ist die vertrauliche Geburt
Doch es gibt auch berechtigte Kritik an dem Konzept: „Kritisiert wird unter anderem, dass den Kindern durch das Konzept das Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft genommen wird.“, sagt Muth: „Wir halten dennoch an diesem Angebot in einer Kette von Hilfsmöglichkeiten fest. Wir versuchen aber, Frauen bereits in der Schwangerschaft mit zahlreichen Angeboten zu erreichen.“
Der SkF berät Frauen auch zum Thema „Vertrauliche Geburt“. Dabei entbindet die Frau sicher im Kreißsaal, doch ihre persönlichen Daten werden unter einem Pseudonym im Krankenhaussystem hinterlegt. Selbst die Mitarbeiter wissen nicht, wie die Mutter heißt“, erklärt Matulenski.
„Bei einer vertraulichen Geburt oder einer regulären Adoption haben die Kinder in der Regel mit 16 Jahren die Möglichkeit, in ihre Adoptionsakte Einsicht zu nehmen und können so nach ihren Wurzeln suchen“, erklärt Muth und verdeutlicht, dass bei einer vertraulichen Geburt die Mütter medizinisch betreut werden. Auch die Kinder seien von Anfang an in ärztlicher Betreuung.
Selten genutztes Angebot: Seit 2002 wurden acht Babys in Fulda abgegeben
„Kinder, die bei uns abgegeben werden, sind oft erst wenige Stunden alt“, berichtet Otterbein. Den tatsächlichen Geburtstermin können Hebammen ungefähr berechnen. So wird dann der Geburtstag des Kindes festgelegt.
Der SkF Fulda betreut insgesamt drei Babyklappen, die in Fulda, eine in Hanau und eine in Kassel. Im Zeitraum von 2020 bis 2024 wurden in allen drei Babyklappen zusammen zehn Kinder abgegeben. Der Knopf am Herz-Jesu-Krankenhaus wurde seit dem Bestehen der Klappe im Jahr 2002 nicht oft gedrückt. Acht Kinder wurden seitdem in Fulda abgegeben, in Hanau und Kassel seien es aber mehr.
Den ganzen Artikel der Fuldaer Zeitung: https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-babyklappe-angebot-muetter-neugeborene-abgeben-anonym-adoptiveltern-93490526.html
Redaktion: Sophia Auth
Stand: 31.12.2024