„Die Gesundheitspolitik zerschlägt im Krankenhauswesen gerade viele Strukturen – und zwar unkontrolliert. Die Regierung sieht den Schaden. Aber sie bleibt dennoch untätig.“ Das sagt Michael Sammet (53), Chef des Herz-Jesu-Krankenhauses in Fulda. Die aktuelle Entwicklung bereitet ihm große Sorgen.
Das Problem ist schnell beschrieben: Viele Ausgaben der Krankenhäuser sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Doch anders als andere Unternehmen können Krankenhäuser ihre Preise nicht erhöhen, wie es nötig wäre. Denn die Höhe der Einnahmen der Kliniken legen die Krankenkassen fest. Schon heute müssten die Krankenkassen für die Leistungen der Krankenhäuser
vier Prozent mehr zahlen, wenn die Kostensteigerungen aufgefangen werden würden, rechnet die Deutsche Krankenhausgesellschaft vor.
„Dieses Jahr war schon schwierig. Doch im nächsten Jahr stehen die Krankenhäuser vor dem Super-GAU“, warnt Sammet. „Allein die Gehälter werden über alle Berufsgruppen hinweg um zehn Prozent steigen. Die Krankenkassen werden aber maximal 5,13 Prozent mehr zahlen“, erläutert der Geschäftsführer. Nach einer Prognose werden 80 Prozent der deutschen Hospitäler 2024 rote Zahlen schreiben. Doch schon in diesem Jahr haben 16 Kliniken Insolvenz angemeldet – darunter das große von Vinzentinerinnen getragene St. Vinzenz Krankenhaus in Paderborn. Auch hinter dem Herz-Jesu-Krankenhaus in Fulda steht der Vinzentinerinnen-Orden. Es gibt aber keine wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Häusern in Paderborn und Fulda.
„Die große von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Krankenhaus-Reform würde vielleicht manches ändern“, sagt Sammet, „aber die Folgen der Reform werden wir erst in fünf bis sieben Jahren spüren. Viele Krankenhäuser werden das aber nicht mehr erleben. Hier lässt die Politik die Krankenhäuser vor die Wand laufen.“ Wenn es reihenweise Klinik-Pleiten gebe, dann schade das auch dem Ruf der Branche.
„Jede Insolvenz kratzt am Image der Pflege, die ohnehin schon hohen Arbeitsdruck sowie Nacht- und Wochenend-Dienste verkraften muss.“ Auch für das Herz-Jesu-Krankenhaus werde die
Stellenbesetzung schwieriger. Die Planstellen der 600 Pflegekräfte seien derzeit zu mehr als 90 Prozent besetzt. Für die nächsten Jahre erwartet Sammet aber durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge einen rasant steigenden Bedarf. „Hier werden wir in Zukunft mehr und mehr auf die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte angewiesen sein“, sagt Sammet.
Im ärztlichen Dienst beschäftigt Herz-Jesu aktuell 110 Mitarbeiter. Temporäre Nichtbesetzungen werden kurzfristig teilweise durch Honorarärzte ausgeglichen. Sammet: „Auch hier wird
sich in Zukunft die Situation weiter verschärfen. Ohne die Unterstützung durch ausländische Mediziner wäre schon heute bundesweit die Versorgung gefährdet.“ Was Sammet besonders ärgert: Ob eine Klinik überlebt oder nicht, hänge nicht von der Qualität der Medizin oder der Pflege ab, und auch nicht davon, ob die Patienten ein Krankenhaus brauchen, sondern allein von der Höhe der Rücklage auf dem Konto und der Art des Träger.
„Wenn die Bundespolitik nicht entscheidend eingreift, dann werden viele deutsche Krankenhäuser in fünf Jahren nicht mehr existieren. Hier lässt die Politik die Krankenhäuser vor die Wand laufen.“- Michael Sammet
Kommunale Träger wie die Stadt und der Landkreis Fulda oder die Kreise Vogelsberg, Main-Kinzig und Hersfeld- Rotenburg – sie alle greifen ihren Kliniken kräftig unter die Arme. Das Herz-Jesu-Krankenhaus jedoch hat solche starken Partner nicht. „Unser Defizit übernimmt niemand. Wir müssen uns selbst tragen. Ein fairer Wettbewerb ist das nicht“, sagt Sammet.
Um sein eigenes Haus macht sich Sammet jedoch keine Sorgen. In diesem Jahr rechnet er mit einer schwarzen Null – aber auch nur deshalb, weil die Krankenkassen noch Nachzahlungen für
Leistungen aus früheren Jahren leisten. „Zudem besitzen wir schlanke Strukturen und haben immer sparsam gewirtschaftet.“ Doch 2024 wird Herz-Jesu – wenn sich die Kosten und die Einnahmen wie befürchtet entwickeln und sich der politische Rahmen nicht ändert – ein Defizit in noch unklarer Höhe erleiden, erwartet Sammet. Ein vorübergehendes Defizit müsse aber niemanden schrecken; „Ein schlechtes Jahr wirft uns nicht um.“
Dennoch denkt Sammet an weitere Einsparungen – und zwar bei den Investitionen. „Ursprünglich wollten wir die Notaufnahme räumlich vergrößern. Der Bedarf dafür ist da. Mehr als 20 Millionen Euro wollten wir investieren. Wir überlegen jetzt, ob das noch geht, wenn wir nicht Zuschüsse in ausreichender Höhe erhalten.“
Den ganzen Artikel der Fuldaer Zeitung: PDF oder online: https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-krankenhauschef-fordert-schnelle-hilfe-fuer-die-branche-michael-sammet-92582414.html
Redaktion: Volker Nies
Stand: 16.10.2023