„Ohne Hebammen läuft nichts, außer Fruchtwasser“ – so lautete das Motto einer Demonstration zum internationalen Hebammentag in Fulda. Denn die Zahl der Hebammen geht nicht nur wegen der schlechten Bezahlung zurück. Aber es gibt auch einen Lichtblick.
Fulda – „Wir müssen auf den Beruf aufmerksam machen, weil die Hebamme während der Schwangerschaft eine wichtige Stütze ist“, sagte die Hebammen-Studentin Katinka Heinke während einer Demonstration auf dem Bahnhofsvorplatz am Donnerstagnachmittag in Fulda. Sie studiert Hebammenkunde im sechsten Semester, genauso wie 199 weitere Studierende an der Hochschule Fulda.
Heinke entschied sich dafür, weil sie später Familien begleiten und die Frauen stärken möchte. In eine ähnliche Kerbe schlug Pauline Steg in ihrem Vortrag. Sie beklagte, dass immer mehr Kreißsäle geschlossen hätten – seit 1991 sollen es deutschlandweit 531 gewesen sein.
Fulda: Mangel an Hebammen steigt – Überlastung und wenig Geld
„Geburten auf Parkplätzen oder auf der Autobahn sind kein Highlight, sondern ein deutliches Zeichen der Unterversorgung“, mahnte sie. Damit einhergehend erklärte sie, dass 25 Prozent der freiberuflichen Hebammen ihre Arbeit aufgegeben hätten. Das liege einerseits an hohen Versicherungskosten und schlechter Bezahlung. Andererseits seien die Hebammen völlig überlastet.
Das berichtete eine examinierte Hebamme, die zwar nicht anwesend war, deren Rede aber vorgelesen wurde: „Ich arbeite meist ohne Pause. Im ersten Monat habe ich daran gedacht zu kündigen, aber dann wären es ja noch weniger Hebammen.“ Trotz aller Widrigkeiten sei es nach wie vor ihr Traumberuf.
„Es bräuchte eine bessere Bezahlung – und vor allem mehr Verständnis für den Beruf“, sagte sie weiter. Verständnis sei ein wichtiger Aspekt, den auch Anna Kaufmann von der Gewerkschaft ver.di ansprach. Vor allem dann, wenn sich eine Hebamme in einer Schicht um drei oder mehr Frauen gleichzeitig kümmern muss.
„Es ist nicht möglich, diesen Beruf in Vollzeit auszuüben, weil die Hebammen dauerhaft überlastet sind“, sagte sie. Dazu herrsche noch das Problem, dass Kinder immer häufiger mit Kaiserschnitten zur Welt gebracht werden, weil das für die Kliniken mehr Geld einbringe, kritisierte Kaufmann weiter.
„Es ist der falsche Anreiz, Geburten aus wirtschaftlichen Gründen durchzuführen. Es wird in vielen Kliniken zu viel Wert auf das Geld gelegt“, hob sie hervor. Aber sie berichtete auch von einer positiven Entwicklung in Berlin. Dort nämlich sei der Beruf attraktiver, weil die „Vergütung gestiegen ist, weil es eine Fahrtkostenerstattung und eine betriebliche Altersvorsorge gibt“.
Von einer weiteren positiven Erfahrung berichteten die frischgebackenen Eltern Caroll-Ann Ellenberger und Andreas Kleine aus Fulda. Sie möchten die Arbeit der Hebammen unterstützen, weil sie gemerkt haben, was für eine Hilfe sie bei der Geburt sind .„Wir konnten eine Hausgeburt planen und erleben. Das war für uns deutlich sicherer und entspannter“, betonten die beiden.
Im Gegensatz zur Geburt in einer Klinik konnten sie sich aussuchen, wie sie ihr Kind auf die Welt bringen wollen. Dass sie überhaupt eine Hebamme gefunden haben, sei Zufall gewesen. In der Nähe ihrer Wohnung hatte eine neue Praxis eröffnet, wodurch die beiden zu den ersten gehörten, die nach einem Termin fragten. „Das war ein Glücksgriff. Freunde von uns haben mehrere Monate vergeblich nach einer Hebamme gesucht“, berichteten die jungen Eltern.
Von der Herausforderung, kurzfristig freigewordene Hebammen-Stellen zu besetzen, sprechen auch der Direktor der Frauenklinik im Klinikum Fulda, Privatdozent Dr. Thomas Hawighorst, und die leitende Hebamme, Sabine Weyh. 30 angestellte Hebammen in Voll- und Teilzeit betreuen im Klinikum in vier Kreißsälen jährlich rund 1650 Geburten. Zusätzlich stehen ein separates Wehen-Zimmer und ein Kaiserschnitt-Operationssaal zur Verfügung.
Eltern aus Fulda: „Die Arbeit von Hebammen ist unglaublich wichtig“
Damit seien die Vorgaben der Personalbemessung in der Geburtshilfe erfüllt. Hawighorst und Weyh sprechen von einer niedrigen Fluktuation. Als wichtig erachten sie, die Hebammen durch eigenverantwortliches Handeln zu motivieren. Laut Hawighorst und Weyh könne eine eigene Eingruppierung mit einer besseren Vergütung hilfreich sein – dies sei vor allem angesichts der Akademisierung des Berufs auch angemessen.
Mit 14 Beleghebammen für drei Kreißsäle sieht sich auch das Herz-Jesu-Krankenhaus in der Betreuung von Müttern und Kindern gut aufgestellt. Das Belegsystem ermögliche Schwangeren eine fürsorgliche und persönliche Begleitung. Dieses Modell sei für Hebammen reizvoll, da sie eigenverantwortlich arbeiten und eine flexible Organisationsstruktur als Basis diene.
Ferner sei die Vergütung attraktiv, es gebe kurze Wege und eine gute Zusammenarbeit Hand in Hand der Hebammen und des Krankenhauses. Eine hohe Fluktuation sei nicht feststellbar. Das Interesse an dem Beruf sei hoch und die Zahl der Einsteigerinnen ebenfalls.
Auch die Hebamme von Caroll-Ann Ellenberger und Andreas Kleine aus Fulda war indes innerhalb weniger Tage ausgebucht – dennoch stehen sie nach wie vor mit ihr in Kontakt. Bei Fragen dürfen sich die Fuldaer jederzeit bei ihr melden. „Wir sind froh, dass wir uns für die Hausgeburt entschieden haben. Das hat uns gezeigt, dass die Arbeit von Hebammen unglaublich wichtig ist. Wir brauchen mehr Hebammen.“
Quelle: Fuldaer Zeitung
Redakteur: Andreas Ungermann, Leon Weiser
Foto: Fuldaer Zeitung
Der vollständige Artikel: Fuldaer Zeitung – Überlastung und wenig Geld – Mangel an Hebammen steigt
(Stand: 06.05.2022 I online 06.05.2022)