Egal, wie stressig die Vorweihnachtszeit ist: Wenn Heiligabend näher rückt, wird es für die meisten Menschen in Osthessen ruhiger. Doch wer auf einer Intensivstation tätig ist, der findet keine Ruhe – auch an Weihnachten nicht.
Fulda – Seit 1979 arbeitet Marianne Möller aus Fulda, Pflegeleiterin der Intensivstation, im Herz-Jesu-Krankenhaus. Sie weiß: Arbeit in einem Krankenhaus schlaucht. Aber so schlimm wie jetzt in der Corona-Pandemie war es noch nie, berichtet die Fuldaerin.
„Wir haben gehofft, dass der zweite Corona-Winter nicht so schlimm werden würde, wie er jetzt doch geworden ist. Die Mitarbeiter auf der Intensivstation sind erschöpft.“ Belastend ist auch, dass die Corona-Patienten jünger geworden sind und von ihnen immer wieder einige sterben – trotz intensiver Behandlung.
Corona in Fulda: Auf der Intensivstation gibt es Weihnachten keine stille Nacht
Nicht nur die Patienten sind von der Pandemie betroffen, sondern auch ihre Familien, die oft nicht zum Besuch ins Krankenhaus dürfen. „Wir, die Pflegenden, nehmen uns die Zeit. Wir betreuen Angehörige am Telefon, hören ihre Hoffnungslosigkeit, Sorgen, Ängste und Verzweiflung. Das ist schwer.“
„In solchen Momenten können wir wenig ausrichten und fühlen uns selbst hilflos.“ Dieses Gefühl der Ohnmacht werde verstärkt, weil es noch keine effektive Behandlung durch Medikamente gibt. Das belaste nicht nur die Angehörigen, sondern auch die Pflegenden. Die Pflege ist körperlich und seelisch eine Last, sagt Marianne Möller.
„Nach wie vor setzen wir sorgfältig die Corona-Schutzmaßnahmen bei der schweren Arbeit um: Wir tragen wasserdichte Schutzkittel über der Dienstkleidung, ständig FFP2- und FFP3-Masken, Visier, Haube, Handschuhe – und das über die gesamte Schicht.“ Unter der Schutzbekleidung schwitze man stark. „Wegen der intensiven Versorgung von Covid-Patienten steht man unter hohem Zeitdruck, so dass man während des Dienstes kaum zum Trinken oder Essen kommt. Nicht selten ist Mitarbeitern vor lauter Erschöpfung schon schwindelig geworden.“
Nicht alle Pflegekräfte ertragen diese Belastung. Im Herz-Jesu-Krankenhaus sind 2021 sechs von 24 Kräften gegangen – nicht alle wegen der Pandemie, aber sie spielte doch eine Rolle. „Was hilft, ist unser guter Teamgeist und die wunderbare Zusammenarbeit unter uns Kolleginnen und Kollegen. Auch ein unverhofftes Lob oder ein spontanes Dankeschön sind kleine Lichtblicke, die Kraft schenken.“ Der bundesweit herrschende Personalmangel auf Intensivstationen hat Folgen: Nicht jede offene Stelle kann sofort wieder besetzt werden. Zudem werden auch Kollegen oder Kolleginnen krank. Manchmal für längere Zeit. „Dann müssen die übrigen Mitarbeiter einspringen.“
„Sie haben somit weniger Freizeit, können sich kaum erholen. Jeder kennt das Gefühl, wenn man sich erschöpft fühlt. Dann setzen einem die Belastungen, egal ob privat oder beruflich – noch mehr zu.“ Ausgleichende Freizeitbeschäftigungen, die Kraft für die Arbeit geben würden, seien in diesen Zeiten schwierig. Manchmal müssen auch zu Hause pflegebedürftige Angehörige versorgt werden.
Corona-Weihnacht in Fulda: Auf den Intensivstationen wird mehr Personal gebraucht
Was könnte jetzt helfen?„Wir wünschen uns mehr Personal. Damit könnte der intensive Versorgungsaufwand, den wir aktuell erleben, besser auf viele Schultern verteilt werden – und wir könnten uns auf ein geplantes Frei im Dienstplan verlassen und müssten nicht fürchten, dass wir kurzfristig einspringen müssen.“ Möller wünscht sich auch mehr Wertschätzung für ihre Arbeit und die derzeit sehr hohe Belastung – etwa auch durch weitere Bonuszahlungen oder zusätzlichen Urlaub. Und jetzt, an Weihnachten? Da ist die Belastung nicht geringer als sonst.
„Die Dienste müssen genauso wie immer besetzt werden. Die Pflege arbeitet im gleichen Schichtdienst wie das ganze Jahr über. Alle Betten sind belegt, dementsprechend muss das Personal so hoch besetzt sein wie immer. Man braucht eher noch mehr Personal als in Nicht-Corona-Zeiten.“
„Weil die Personaldecke dünn ist, bedeutet das: Auch an den Feiertagen müssen wir flexibel sein. Unter Umständen müssen Mitarbeiter Weihnachten und Silvester oder Neujahr arbeiten. Das belastet“, sagt Möller. Es gibt Unterstützung, aber die muss zunächst eingearbeitet werden – was auch wieder Kraft kostet.
„Da ist es toll, wenn uns Kolleginnen und Kollegen aus der Anästhesie der Klinik unterstützen. Sie kennen sich bereits bestens aus.“ Auch die Pflegekräfte, die jeden Tag um das Leben von Patienten kämpfen, haben indes Familie und Freunde. „Aber nach Dienstschluss so einfach den Schalter umlegen, das geht nicht.“
„Wir nehmen das auf der Station Erlebte natürlich mit nach Hause, aber wir können dort wegen der Schweigepflicht nicht darüber reden.“ Wenn das Erlebte auf der Intensivstation weiter in den Kleidern hänge, dann führe das manchmal zu einer inneren Zerrissenheit und Bedrücktheit – gerade bei Pflegenden mit kleinen Kindern oder wenn mit einer großen Familie Weihnachten gefeiert wird. „Feiertage sind für Pflegende mit Familie eine Doppelbelastung, wenn all die Vorbereitungen mit Geschenken, Schmücken, Backen und Kochen für die Familie geleistet werden sollen. Dennoch versucht jeder von uns, sich auf das Positive und Schöne an diesen Tagen zu konzentrieren, um im Kreise der Lieben die Arbeit mal zu vergessen.“
Hintergrund: Das verdient eine Krankenpflegekraft auf der Intensivstation
Eine Krankenpflegekraft auf der Intensivstation verdient laut Tarif als Einstiegsgehalt 3300 Euro brutto, nach 20 Jahren im Dienst sind es 4000 Euro. An Zulagen kommen rund 100 Euro netto hinzu. Wer regelmäßig am 3-Schicht-Betrieb teilnimmt, erhält 40 Tage Urlaub. Eine Pflegekraft mit Fachweiterbildung auf der Intensivstation verdient fünf bis acht Prozent mehr.
Quelle: Fuldaer Zeitung
Redakteur: Volker Nies
Foto: © Fuldaer Zeitung
Der vollständige Artikel: https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/krankenhaus-corona-fulda-intensivstation-weihnachten-marianne-moeller-herz-jesu-91200813.html
(Stand: 26.12.2021)